Die Abiturrede von Herrn Dr. Tobias Franke, Leiter des Gymnasium Paulinum, am 29. Juni 2019
Liebe Abiturientia des Gymnasium Paulinum,
nach vielen Jahren des gemeinsamen Lernens ist es heute endlich soweit: Sie feiern Ihr Abitur, das Erlangen der Allgemeinen Hochschulreife.
So lange haben Sie auf diesen Tag hingefiebert, sich darauf vorbereitet, ihn während der Klausurphase sicherlich so manches Mal herbeigesehnt.
Und jetzt – endlich – können, dürfen und sollen Sie Ihren Erfolg genießen.
Dass Sie erfolgreich waren, zeigt Ihre Leistungsstärke im Abitur. Gemeinsam haben Sie einen großartigen Notendurchschnitt von 2,02 erarbeitet. Wir dürfen heute sogar viermal die Abiturnote 1,0 vergeben. Nochmals herzliche Glückwünsche an Sie alle zu diesen Leistungen, auch im Namen des gesamten Kollegiums.
Ihre Abiturnote – das ist der Erfolg des Lernens, den wir heute sehen und feiern: Das Wissen oder neupädagogisch: Ihre Kompetenzen, auf die Sie hinstreben und die sich messen lassen.
Mindestens ebenso wichtig ist allerdings der Erfolg des Lernens, den wir nicht in Noten ausdrücken können, ja, teils sogar nicht wahrnehmen: Es ist das Lernen fürs Leben, das Miteinander, welches Sie über die Jahre am Gymnasium Paulinum gemeinschaftlich erworben haben. Bis hin zur Herzensbildung, der Erfahrung, im Füreinander stark zu sein. Zusammenhalt und Gegenseitigkeit, das sind die Werte der Pauliner Gemeinschaft, die Sie gelebt und mitgestaltet haben.
In dem zurückliegenden Jahr, seitdem ich Teil dieser Pauliner Gemeinschaft bin, habe ich Sie als eine freundliche und aufgeschlossene, hilfsbereite sowie sehr sympathische Stufe kennenlernen dürfen.
So trugen Sie Ihren Teil zum Umbau des Paulinum bei, indem Sie mehrere Monate lang auf Ihre angestammten Klassenzimmer hier „Am Stadtgraben“ verzichteten. Stattdessen lernten Sie ebenso aufmerksam und engagiert (soweit mir bekannt) in der Gesamtschule Mitte. Ich erinnere mich gut: Mit besorgtem Blick gemahnte mich zu Beginn des Schuljahres manch‘ Elternteil, dass wir, dass ich die Stufe gleichsam aus dem Nest geworfen und in die Diaspora verbannt habe. Sie aber haben das Jahr in der Ferne gemeistert und die räumliche Entfernung klimaneutral per pedes und per Leeze zur eigenen Körperertüchtigung überwunden. Geschadet hat es Ihnen nicht, jung und frisch sitzen Sie heute vor mir.
Auch den Spaß an Ihrer kurzweiligen, phantasievollen Motto-Woche ließen Sie sich nicht durch irgendwelche Störenfriede nehmen – Ihr Langmut war da recht am Platze.
Und Durchhaltevermögen – selbst bei fast an Sisyphusarbeit grenzenden Tätigkeiten – bewiesen Sie, nahezu heroisch, als Sie nach der Motto-Woche das auf dem Schulhof verteilte Stroh wieder aufsammeln und entsorgen mussten – in den Autos Ihrer Eltern, deren Toleranz da sicherlich auch gefordert war. Ich darf Ihnen sagen, liebe Eltern, hätte mein Sohn meinen 7ener BMW mit triefenden Säcken befüllt, meine Toleranzgrenze wäre vermutlich überschritten gewesen, Chapeau.
Kurzzeitig etwas irritiert, das muss ich zugeben, hat mich allein die Verkündigung Ihres Abi-Mottos. Ich erinnere mich gut: Mit dem Ausdruck jugendlicher Vorfreude in den Gesichtern saß das Organisations-Komitee vor mir und erklärte wonnebebend, das Motto laute: Hauptsache, die Maß hat 1,0! Zitat Ende. Mein Gesichtsausdruck musste Sie wiederum irritiert haben, denn Sie begannen, mir den aus Ihrer Sicht doch so offensichtlichen Wortwitz zu erläutern. Heute verstehe ich alles: Hauptsache, das Maß stimmt (…, dann darf auch die Maß herhalten) – ich freue mich sehr mit Ihnen über Ihr großartiges Ergebnis und auch über Ihren jugendlichen Frohsinn.
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
Ihre gemeinsamen Jahre am Gymnasium Paulinum haben Sie entscheidend für Ihr Leben geprägt – im besten Sinne. Darauf können Sie stolz sein. Es gehört
aber auch zu einem Tag wie diesem, zu betonen, dass mit Ihrem Wissen, Ihren Erfahrungen, Ihren Einsichten und Ihrem Verständnis ebenso eine große Verantwortung einhergeht.
Jede und jeder von Ihnen ist aufgerufen, zur Veränderung dieser Welt hin zum Besseren beizutragen.
Klar ist: Die Herausforderungen der Zukunft sind vielfältig und groß:
Klimaveränderungen verlangen von uns allen primär ein Umsteuern im Persönlichen ab - verwirklichen Sie das, was Sie am Paulinum an Wirkungszusammenhängen gelernt haben, für sich und Ihr Umfeld.
Europa steht mit Brexit, möglichem Italexit und hohen Staatsschulden bei vielen in der Kritik und vor immer neuen, zähen Zerreisproben – wirken Sie als diejenigen, die am Paulinum als internationaler Schule gelernt haben, auf den weiteren Erfolg des Europäischen Gemeinwesens hin. Ihre Fähigkeit zu aufgeschlossenem und tolerantem Umgang mit Vielfalt und Internationalität, Ihre Bereitschaft zu Begegnung und Dialog sind in Europa und in der Welt wichtiger denn je.
Große soziale Fragen, national wie international, fordern uns als Gesellschaft heraus –Mitbürger fühlen sich teils ausgegrenzt, sei es durch Arbeitslosigkeit, einer auseinandergehenden Vermögensverteilung, vermeintlich verkrusteten Strukturen in Politik und Wirtschaft, in die sie nicht hineinwachsen können, oder offenen Fragen der Integration. Bringen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten die Mitmenschlichkeit mit dem Machbaren zusammen für neue, tragfähige Ansätze.
Gleichzeitig greifen in einer eigentlich vollkommen aufgeklärten Welt scheinbar irrationale und anti-aufklärerische Tendenzen rapide um sich: Sie kennen die Stichworte: Fake News, Vergangenheitsleugnung, Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Bewahren Sie sich Ihren kritischen Geist und haben Sie stets den Mut, sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen.
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
Bildung ist keine Einbahnstraße. Was Sie erreicht, aber auch von Eltern, Schule und Mitschülern erhalten haben – bitte seien Sie bereit, immer einen Teil an die Gesellschaft zurückzugeben. Meine kurze Aufzählung der aktuellen Herausforderungen sollte gezeigt haben: eine Gesellschaft der Ichlinge und Egoismen, der rücksichtslosen Selbstverwirklichung hat keine Zukunft. An der Resonanz auf den freitäglichen Jugendprotest sehen Sie: Man hofft auf Sie und traut Ihnen viel zu. Ich darf in Kenntnis dieser Stufe sagen: zu Recht.
Mein heutiger Wunsch an Sie und für Sie lautet deshalb:
Probieren Sie sich aus! Bringen Sie sich ein! Seien Sie mutig in Ihrem Leben! Und nicht zuletzt: Bleiben Sie dabei uns am Paulinum verbunden - lassen Sie uns wissen, was aus Ihnen geworden ist. Das Paulinum lebt von den vielfältigen Impulsen seiner Schüler, der ehemaligen wie gegenwärtigen.
Ich bin sicher: Mit dem heutigen Tag haben Sie bereits gutes Rüstzeug für Ihren weiteren Lebensweg parat. Bewahren Sie sich Ihr Wissen, Ihre Erfahrungen und Ihre Eindrücke Ihres Schullebens am Gymnasium Paulinum und machen Sie sich und uns all das zunutze.
Und wenn Sie in Ihrem Leben einmal doch den Mut, die Kraft oder die Orientierung verlieren sollten, denken Sie immer daran:
Wir entlassen Sie heute zwar aus der Schule, in der Pauliner Gemeinschaft aber sind Sie immer zuhause. Frei nach Hermann Hesse: „Wo befreundete Wege zusammenlaufen, da sieht die ganze Welt wie Heimat aus“. In diesem Sinne freut es mich, Ihnen nun Ihre Abiturzeugnisse überreichen zu dürfen."
(Wir danken Herrn Dr. Franke für die Überlassung des Textes!)
Was sollten die Verkehrsschilder im Altarraum der Petrikirche? Sie wiesen aus Baustellen, Umleitungen und Einbahnstraßen hin, so wie sie sich auch in jedem Lebensweg darstellen. Ein bewegender Gottesdienst mit einer ebenso heiteren wie tiefspürenden Predigt von Pfarrer Hauschild führte die Abiturientia Paulina, Familien und Freunde in der Petrikirche zusammen. Im Festakt in der Aula des Paulinums wurden die Zeugnisse übergeben und damit die Schülerinnen und Schüler aus der Schulgemeinde entlassen. Nach den offiziellen Rahmenhandlungen konnte sodann der Siebener-Ausschuss die Abiturientia 2019 in ihre Reihen aufnehmen. In seiner Rede hatte schon Schulleiter Dr. Tobias Franke darauf verwiesen, dass die Entlassung aus der Schule gerade beim Paulinum nicht die völlige Trennung von der Schulgemeinde bedeutet, gibt es doch die Altschülerschaft in der "Vereinigung der Alten Pauliner e.V.
Am Vorabend der Abiturfeiern konnte die Fahne des Jahrgangs 2019 an Vertreter dieser Abiturientia übergeben werden. V.l.n.r.: Jan Thomas, Julius Wissing und Lenard Dierksmeier
Der Siebener-Ausschuss wünscht, stellvertretend für die ca. 3.800 lebenden Alt-Paulinerinnen und -Pauliner, den Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2019 alles Gute für die bevorstehenden Prüfungen zum Abschluss der Schulzeit am Gymnasium Paulinum. Viel Erfolg! --- Und vergesst eines nicht:
Das Paulinum hatte Euch acht oder gar neun Jahre, zu den Alten Paulinern gehört man den Rest seines ganzen Lebens! :-)
Natürlich ist ein Abitur 2019 mit dem früherer Jahrzehnte kaum vergleichbar. Auch Organisation und Kosten geben heute ein ganz anderes Bild. Und über die "Uniformierung" wird wohl kaum noch diskutiert, oder? Bitte geben Sie einmal das Stichwort "Kosten Abiball" in einer Suchmaschine ein. Auf Münster verweist ein Bericht aus den WN vom 31. 03. 2019. Dann kann man lesen und sich wundern!
Die nachfolgenden Bilder sollen einen kleinen Eindruck geben, "worum es eigentlich zu gehen scheint."